Wie in der Einleitung angekündigt, werde ich im
letzten Blogpost meines Artikels "Menschliches Verhalten in
sozialen Netzwerken", sozusagen als praktischen Exkurs, über
die aktuelle Situation in Luxemburg berichten. Dies ist insofern
interessant, als dass es sich bei Luxemburg um ein ziemlich kleines
Land handelt, in dem relativ viele Ausländer (ungefähr 45% der
Einwohner) leben. Hinzu kommt, dass es dort keine klar rechtsextreme
Partei gibt, was auf den ersten Blick vorteilhaft scheint. Jedoch hat
dies die negative Konsequenz, dass sich die gesamte rechte Ecke
Luxemburgs in der rechtspopulistischen/rechtskonservativen Partei
"Alternativ
Demokratesch Reformpartei" (adr)
einfinden muss. Die adr lässt sich mit der AfD vergleichen und wird
von der Öffentlichkeit wie auch von den Regierungsparteien
Luxemburgs ähnlich wahrgenommen wie es in Deutschland mit der AfD
der Fall ist.
Dadurch,
dass man in Luxemburg keine klar rechtsextreme Partei wählen kann,
haben sich in den sozialen Netzwerken einige Gruppierungen
entwickelt, um das braune Gedankengut in die Köpfe der Luxemburger
zu befördern. Normalerweise sind die Betreiber dieser Seiten nicht
sehr erfolgreich darin, ihre Mission zu erfüllen, jedoch
überschlugen sich im Januar 2014 einige Ereignisse auf Facebook, von
denen ich nachfolgend berichten werde.
Begonnen
hat das Ganze mit der Facebookseite "Fir
all dei et satt hun gesot ze kreien 'scheiss letzeboier' :O"
(mitsamt
holpriger Ausdrucksweise übersetzt: Für alle die es satt haben
gesagt zu bekommen "scheiß lucksemburger" :O), die 2010
gegründet wurde. Diese erreichte ziemlich schnell die 1000-Like
Marke und verblieb dann inaktiv. Im Januar 2014 wurde die Seite dann
zum "Sprachrohr der unzufriedenen Luxemburger"
umfunktioniert. Man konnte der Administration der Seite eine
Nachricht schicken, die dann – auf Wunsch anonym – veröffentlicht
wurde. Hierbei handelte es sich fast immer um irgendwelche
Erfahrungsberichte, die aufzeigen sollten, wie schlimm es doch ist,
sich als Luxemburger im eigenen Land fremd fühlen zu müssen. An
dieser Stelle griff nun die Algorithmik hinter Facebook ein und
zeigte diese Beiträge vielen anderen Nutzern an, da sie aufgrund der
vielen Interaktionen relevant zu sein schienen. Diese Nutzer
interagierten wiederum mit den Beiträgen, was die Reichweite
derselben wieder erhöhte. Schon bald war der Newsfeed der
luxemburgischen Facebook-Nutzer mit Beiträgen dieser Art
überschwemmt. Gerade diese Überschwemmung an Erfahrungsberichten
verleitete eine Großzahl an "besorgten" Luxemburgern dazu,
zu denken, dass in der realen Welt die Situation gerade am Überkochen
wäre, und man nun unbedingt etwas gegen die Ausländer und
Grenzgänger unternehmen müsste. Besonders für den Erhalt der
luxemburgischen Sprache müsste man sich einsetzen, behaupteten
viele. Dieser Irrglaube könnte nicht unsinniger sein, belegen doch
aktuelle Studien, dass die luxemburgische Sprache von immer
mehr Menschen gesprochen wird.
Nach
einiger Zeit stellten sich auch einige Wechsel in der Administration
der Seite ein, um dem Ansturm an Nachrichten, die es zu
veröffentlichen galt, entgegenzukommen. Schnell sprach sich herum,
was passiert war: Sympathisanten und aktive Mitglieder der
"Luxembourg Defence League", einer rechten
Internetgruppierung, hatten das Potenzial dieser Nachrichtenquelle
entdeckt und übernahmen nun das Steuer. Fortan wurde, unter dem
Deckmantel der Erhaltung der luxemburgischen Sprache und Kultur,
braunes Gedankengut mit vorher unvorstellbarer Reichweite verbreitet.
So versuchte die LDL, neue Mitglieder anzuwerben, um aus eventuellen
Mitläufern Kämpfer für ihre Sache zu gewinnen.
Gegenreaktionen
zu dieser Facebook-Seite bildeten sich rasch. Auf der Seite selbst
wurden jedoch alle Kommentare, die nicht der Meinung der
Administratoren entsprachen, umgehend gelöscht. Das Melden der Seite
bei Facebook erzielte auch nicht das erwünschte Resultat, sodass die
Seite ungehindert ihre Beiträge unter das Volk bringen konnte. Die
daraufhin gegründete Facebook-Seite "Fir een
tolerant Lëtzebuerg" (zu deutsch: Für ein tolerantes
Luxemburg) vermochte leider auch nicht, den Strom aus rassistischen
Beiträgen zu unterbrechen.
Am
28. Januar 2014 wendete sich das Blatt schließlich: das Team von
Eldoradio, einem erfolgreichen luxemburgischen Radiosender mit
jugendlicher Zielgruppe, startete die Facebook-Seite "Eng
Mandarin" (zu
deutsch: Eine Mandarine). Diese Mandarine sollte symbolisch gegen die
rechten Parolen stehen, die überhand genommen hatten. Die Seite fand
große Unterstützung bei den Medien, wurde sie doch selbst von einer
Tochtergruppe von RTL gegründet, und erfreute sich somit eines regen
Zulaufs und vieler Interaktionen. Die resultierende Reichweite sorgte
dafür, dass ein Teil der rassistischen Beiträge aus dem
Nachrichtenfeld der Nutzergemeinde verdrängt wurde.
Zeitgleich
veröffentlichte der Student Maxime Weber, der schon länger gegen die rechte Szene in Luxemburg ankämpfte, einen offenen Brief an die "luxemburger Patrioten" auf seinem
neuen Blog, der sich wie ein Lauffeuer in den sozialen Netzwerken
verbreitete. Sowohl der emotionsgeladene Ton als auch die enthaltenen
Inhalte trafen vollends den Nerv der nicht-rechten Luxemburger, die
durch das Teilen des Blogposts im Nachrichtenfenster von Facebook nun
auf sich aufmerksam machen konnten. Wer den Artikel bis zum Ende
liest, erkennt, dass Maxime Weber sich der öffentlichen Bloßstellung
eines der Administratoren der behandelten Facebook-Seite bediente, um
seinen Argumenten Schlagkraft zu verleihen. Auch wenn sich dieser
Administrator dadurch gezwungen fühlte, die Seite zu verlassen, was
deren Untergang bedeutete, hätte eine elegantere Lösung als die
öffentliche Bloßstellung einer Person gewählt werden können. Die
Konsequenz war, dass die Justiz so auf andere, xenophobe
Machenschaften des ehemaligen Administrators aufmerksam wurde, der
nun seine gerechte Strafe erhielt.
In diesem
letzten Blogpost konnte man gut erkennen, wie durch das Verhalten der
Menschen in sozialen Netzwerken eine Nutzergemeinde zu einem
unkontrollierbaren, wütenden Mob wurde. Eine wichtige Rolle spielte
auch hier die Algorithmik hinter Facebook, die diesen Mob
(unwissentlich) unterstütze, indem sie den hetzerischen Beiträgen
eine hohe Reichweite zuschrieb. Die behandelte Facebook-Seite
existiert noch immer und erstellt unregelmäßig Beiträge, jedoch
mit mäßigem Erfolg. Hier spielt Facebook nun gegen die Seite
selbst: Hat man seine Seite einmal heruntergewirtschaftet, ist es sehr
schwer, aus diesem Loch wieder herauszukommen. Im Nachhinein sollte
man diese Ereignisse als Warnsignal verstehen. Gerade die aktuelle
Situation um Pegida zeigt auf, was hätte passieren können, wenn die
Gegenreaktionen nicht überhand genommen hätten.
Quellen:
http://www.rtl.lu/letzebuerg/587122.html
http://www.maximeweberblog.com/liebe-luxemburgische-patrioten/
http://lorgthar.blogspot.de/
http://www.rtl.lu/letzebuerg/587122.html
http://www.maximeweberblog.com/liebe-luxemburgische-patrioten/
http://lorgthar.blogspot.de/
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